136 Jahre VfB Einheit zu Pankow, ein Rückblick
Das Jahr 2020 ist bereits das 127. in der Geschichte des Pankower Traditionsclubs. Damit ist man nicht nur 7 Jahre älter als der FC Bayern, sondern kann auch auf viele spannende, zum Teil gar brisante Ereignisse zurückblicken.
Freitag, der 18.September 1893. Auf Anregung eines gewissen Dr. Hermani, seines Zeichens Theologe und Leiter der „Pankower Höheren Knabenschule“, wird in geselliger Runde in einem Pankower Gasthaus der ‚Verein für Bewegungsspiele Pankow’ ins Leben gerufen. 26 Mitglieder zählt der Verein bei seiner Gründung, die sich auf dem grünen Rasen von Schloss Schönhausen anfänglich nur mit Cricket und Tennis die Zeit vertreiben.
Erst die aus England stammenden Gebrüder Manning bringen ein paar Jahre später den ‚Football’ mit nach Pankow. Der löst Cricket bald als Sommersport ab und läutet damit gleichzeitig eine neue Epoche in der noch jungen Geschichte des VfB ein.
Doch auch andere Sportarten wie Turnen, Fechten und insbesondere das Radfahren erfreuen sich in den Jahren um die Jahrhundertwende einer immer größer werdenden Anhängerschaft und tragen dadurch in ebensolchem Maße zur rasanten Entwicklung des Pankower Vorzeigevereins bei.
Der sich auch auf sportpolitischer Ebene vollzieht. So gehört der VfB zu den ersten Berliner Vereinen, der mit der Einführung von Altersbegrenzungen für Jugendmannschaften eine heute für selbstverständlich gehaltene Regelung in seine Statuten aufnimmt und sich damit an der Spitze der Berliner Sportbewegung setzt.
Die Dinge nehmen ihren Lauf: nach dem Eintritt in den Verband Deutscher Ballspielvereine, mit dem die Eingliederung des VfB samt aller seiner Sportgruppen in ein festes Gefüge einhergeht, kann der Verein bald auch für die verschärfte Sportplatz Situation Abhilfe schaffen.
1910 wird der Sportplatz an der Mendelstraße eingeweiht, dem 10 Jahre später noch ein zweiter an gleicher Stelle folgt. Etwa zu diesem Zeitpunkt beginnt auch das ‚Spiel mit dem runden Leder’ seinen steigenden Stellenwert anzudeuten. Die Fußballabteilung avanciert mehr und mehr zum Aushängeschild des Vereins, begünstigt vor allem durch die hohe Qualität der ersten Herrenmannschaft.Dieser Mannschaft haben sich seit Anfang der 20er Jahre einige zum Teil hochkarätige Spieler angeschlossen, unter anderem auch die drei für den DFB international Aktiven Worpitzky, Knesebeck und Schwedler, was zu einer erheblichen Steigerung der Spielstärke führt.
Willi Worpitzky
Willy Schwedler
Unter der Führung des Trainers Pöttinger, ebenfalls ehemaliger Nationalspieler von 1860 München, spielt der VfB eine bedeutende Rolle in der Oberliga und kann auch bei Gastspielen durchaus überzeugen, wovon besonders das phänomenale 7:1 gegen den Danziger SC Zeugnis ist. So scheint es wenig verwunderlich, dass der VfB zum 40.Vereinsjubiläum im Jahre 1933 nicht nur die Einweihung des neu hergerichteten Platzes in Schönholz zu feiern hat. Höhepunkt der Festlichkeiten stellt neben einem pompösen Festball im Schloss Schönhausen das hochkarätig besetzte Jubiläumsturnier mit Fortuna Düsseldorf, 1860 München und Hertha BSC dar. Vor 30.000 Zuschauern auf dem ehemaligen Herthaplatz am Gesundbrunnen schlägt man sich beachtlich, vornehmlich das 2:2 gegen den amtierenden Deutschen Meister aus Düsseldorf findet allseitige Beachtung.
Nach dem Ende des 2.Weltkrieges (08.Mai 1945) wurden alle Sportvereine auf der Grundlage der Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats der Besatzungsmächte im Dezember 1945 aufgelöst. Noch im gleichen Monat wurde aus dem aufgelösten VfB Pankow die Sportgemeinschaft Pankow-Nord gegründet.
Der Sport war vorerst nur auf kommunaler Ebene erlaubt. In Berlin bildeten die Alliierten 36 Stadtbezirksmannschaften, die ihren Berliner Meister ausspielten. Der Start vollzog sich am 6.Januar 1946, der letzte Spieltag endete am 28.Juli 1946. Es gab damals eine Mannschaft aus Niederschönhausen, die in der Staffel B den 7.Platz belegte.
In der Saison 1946/47 spielte die SG Pankow-Nord in der zweithöchsten Berliner Spielklasse. In der Staffel A wurde man Staffelsieger und damit Aufsteiger in die Stadtliga.
Die ersten Jahre nach dem Krieg wollen wir einmal einen Augenzeugen zu Wort kommen lassen. Prof.Dr. Dieter Bär schrieb 2019 als 83jähriger:
"... Mein erster Kontakt zum VfB fand im September 1947 auf dem (damals so genannten) Pankowplatz an der Schönholzer Heide statt. Ich war gerade 12 Jahre alt geworden und der VfB war gerade nach einer Kurzspielzeit (ohne Rückspiele) wieder in die Stadtliga (damals das Höchste in Berlin) aufgestiegen. Es war für mich beeindruckend zu sehen, wie die (z.T gerade erst aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommenen) Spieler und erwachsenen Zuschauer (geschätzte 2000 im Schnitt) jedes Heimspiel zum Erlebnis machten. An drei Spiele der Spielzeit 1947/48 kann ich mich heute noch erinnern:
Das Auftaktspiel zu Hause gegen Wacker 04 (damals „Reinickendorf-West), das leider mit 0:1 verloren ging (das „Klingeln“ habe ich direkt hinter dem Westtor stehend) über mich ergehen lassen müssen - damals waren die Tornetze ja noch aus Maschendraht). Die folgenden Spiele gingen dann gefühlte 6 Wochen lang alle 0:0 aus, was für einen soliden Mittelfeldplatz in der Tabelle ausreichte. Dann kam das zweite für mich unvergessliche Spiel: auswärts gegen Blau-Weiß („SG Mariendorf“) 1:0 gewonnen (Torschütze: Günter Gundermann). Nein, ich habe hier keine alten Zeitungen! Das kommt auch nach 70 Jahren immer noch direkt aus der lebendigen Erinnerung. Dass der VfB bis dahin nur ein einziges Gegentor hinnehmen musste, war durch die SuperAbwehr zu erklären - mit Torwart Kurt Gneist, den Verteidigern Ernst Fleischer (rechts) und Günter Haase (links) und vor allem Horst Spilleke als „Mittelläufer“. Dieser Abwehr war auch die erste wirkliche Sensation zu verdanken, die der VfB dann zu Hause gegen Tennis Borussia („SG Charlottenburg") zustande brachte. TB hatte in jenen Jahren die mit Abstand stärkste Mannschaft Berlins. Damit bin ich beim dritten für mich unvergesslichen Spiel. Der Verlauf ist ganz schnell erzählt 1. Minute, vom Anstoß weg direkt nach vorn, 1:0 Gundermann, 2. bis 90. Minute: die Abwehr wieder mal in überragender Form. ..."
Dank einer sauberen sportlichen Betätigung in der Vergangenheit, wird dem VfB während der Saison 1948/49 als einer der ersten Vereine (von 11 Vereinen) in Berlin die Erlaubnis erteilt, seinen alten Namen VfB Pankow wieder anzunehmen.
Mit viel Hoffnung wurde der Sportbetrieb wieder aufgebaut, politische Entwicklungen sollten aber bald viel Einfluss auf dem Verein erhalten. So verließen die ersten Mitglieder 1948 den Verein, als durch die Währungsreform in der französischen, britischen und amerikanischen Zone praktisch die Teilung Berlins besiegelt wurde. Ab dem 21. Juni 1948 war dort die Deutsche Mark alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Als der in West-Berlin wieder gegründete VBB (1949) im Sommer 1950 das Vertragsspieler-System einführte, nahm der Deutschen Sportausschuß (DS) der DDR das zum Anlass, die Ostberliner Mannschaften (VfB Pankow und Union Oberschöneweide) aus der Berliner Stadtliga zurück zu ziehen. Die Eingliederung erfolgte zur Saison 1950/51 in die Oberliga, die höchste DDR-Fußball-Liga.
Nicht unerwähnt sollte sein, die Einführung des Vertragsspieler-Systems bedeutete "finanzielle Vergünstigungen" ... VORAB, dies sollte 1990 keine Rolle spielen!
Im Sommer begann die 1.Ostzonen-Fußballmeisterschaft. Man stellte schnell fest, dass die bisherige Organisation des Sports dringend verändert werden musste. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) und die Freie Deutsche Jugend (FDJ) gründeten den (DS) im Oktober 1949. Ihr erstes Ziel war die Reorganisation des Sportbetriebes. Es wurde die Idee der Trägerbetriebe (BSG – Betriebssportgemeinschaft) entwickelt und umgesetzt, u.a. fasste der DS am 3. April 1950 den Beschluss „Über die Reorganisation des Sports auf Produktionsebene“. Als Trägerbetrieb für Sportvereine mit dem Namen EINHEIT wurde die „staatliche und kommunale Verwaltung“ bestimmt. (Quelle Internet „Wikiwand“ - Betriebssportgemeinschaft)
Die Änderungen sollten auch nicht vor unserem Verein Halt machen. Eine Namensänderung stand bevor. In einer eilig einberufenen Generalversammlung (10.Mai 1951) wurde eine Verschmelzung mit der damaligen SV Einheit-Pankow beantragt. Es wurde sich wenig Zeit für Diskussionen genommen. Der ehemalige Nachkriegsbürgermeister von Berlin-Pankow und zu diesem Zeitpunkt 1.Sekretär der SED-Kreisleitung von Berlin-Pankow Bruno Mätzchen (1901-1979) war einer der entscheidenden Befürworter dieses Antrages. In der Abstimmung wurde der Antrag mit 56 zu 16 Stimmen bei drei Enthaltungen beschlossen. Die Art und Weise dieser Abstimmung gefiel nicht allen Mitgliedern. Im Ergebnis der Umbenennung in die SG Einheit Pankow verließen ein Kreis alter VfB`er um den Bäckermeister Knobelsdorf den Verein und suchten in Westberlin eine neue sportliche Heimat. Unter dem neuen/alten Namen VfB zu Pankow 1893 e.V. wurden sie vom Westberliner VBB als Mitglied aufgenommen. Heimplatz war der „Reinickendorfer Städtische Sportplatz“ an der Scharnweberstraße in Tegel.
Der Verein ist für die 40 Jahre geteilt in Ost und West, als ein Ergebnis der Politik beider Seiten.
Der sportliche Erfolg in Westberlin blieb aus. Schon 1953, zum 60igsten Geburtstag, musste man ernüchternd feststellen, dass man in die unteren Klasse abgerutscht war. Die Fuwo Nr.31 vom 03.08.1953 stellte fest: "... Klein und bescheiden, beinahe ohne Seniorenspieler, fand man den VfB in Westberlin wieder. Der heutige Vereinsführer, Egon Zeisberg, muss bewundert werden, dass er den Mut fand , den Pankower neuen Halt und neue Zuversicht zu geben. Sein Vertrauen galt in erster Linie der Jugend." Der regierende Bürgermeister von Berlin-West nahm es trotzdem zum Anlass der Gratulation ….
Im Gegensatz zu diesen recht staatlichen Erfolgen kann der VfB zu Pankow im westlichen Teil der Stadt lediglich einmalig den Aufstieg in die A-Klasse bejubeln, dem jedoch bereits in der Saison 75/76 nach zwei minder erfolgreichen Spielzeiten der sofortige Abstieg folgt. Obwohl man bis zur Fusion mit seiner besseren Hälfte in den Niederungen der Berliner Stadtligen herumdümpelt, ist auch hier die aufopferungsvolle und ehrenamtliche Arbeit, mit der der am 14. Mai 1991 wieder zusammengeführte Verein über diese schwierige Zeit am Leben gehalten wurde, anzuerkennen.